ZWISCHENRUF

»Zwischenruf« Nr. 1 von Mathias Rätsch, Dipl.-Designer und Werbetexter


Ein Logo für Findorff: »Im Torfhafen versenkt ?«

Das Logo der Geschäftsleute
Das Logo der Geschäftsleute

Mitte Mai 2015 stellten wir an dieser Stelle für den runden Tisch »Wirtschaftszentrum Findorff – Leben und Einkaufen« und die Findorffer Geschäftsleuten e. V. unter dem Titel »Ein Logo für Findorff« insgesamt drei Logos zur Auswahl, die zuvor am runden Tisch präsentiert worden waren. Die Ergebnisse unseres online »Stimmungsbarometers« (siehe unten) und der Abstimmung auf dem Sommerfest mit insgesamt über 1.000 abgegebenen Stimmen lieferten ein erstes Meinungsbild, ließen aber keinen klaren Favoriten erkennen. Gleichzeitig gab es eine rege Teilnahme an der von »Leben in Findorff « initiierten öffentlichen Diskussion im Gästebuch – mit vielen lebendig und kontrovers formulierten Meinungen zu den verschiedenen Entwürfen. Von den insgesamt drei Logos, die zur Auswahl standen, wurden später zwei Logoentwürfe von den jeweiligen DesignerInnen zurückgezogen. Der Verein der Geschäftsleute selbst präferierte von Beginn an das verbliebene Logo des Designers Reiner Will, für das die Zustimmung bei der ersten öffentlichen Sitzung des Findorffer Beirats nach den Sommerferien eingeholt werden sollte. Ziel des Vorstands der Geschäftsleute war es, dieses Logo sowohl für den eigenen Verein, aber auch als Stadtteillogo erweitert zu nutzen, um es auf Werbemitteln wie T-Shirts, Aufklebern, Buttons, Kaffeebechern oder Kugelschreibern einzusetzen. Man hoffte dafür laut Artikel im Weser Kurier für die Umsetzungskosten, die nicht beziffert wurden, auf die finanzielle Beihilfe des Beirats. Innerhalb der letzten sechs Monate, die seitdem vergangen sind, bekam unser Portal Anfragen, was aus den Aktivitäten für »Ein Logo für Findorff« geworden ist – ob es etwa »...im Torfhafen versenkt wurde.« Wir sehen es als Selbstverständlichkeit an, den weiteren Prozess an dieser Stelle für die zahlreichen Usern, die sich an unserem Stimmungbarometer beteiligt haben, öffentlich zu kommunizieren und im weiteren Meinungsaustausch voranzubringen.

 

Sechs Monate Bemühungen im Rückblick


Wie ist der Stand der Dinge?

 

Die Geschäftsleute und der Designer sind sich finanziell nicht über die Nutzung des präferierten Logos für den Verein und die angebotene erweiterte Nutzung für den Stadtteil einig geworden. Anscheinend hatte man den Entwurf am runden Tisch mangels Etat in der Hoffnung präsentiert, selbstständige Designer, die von Ihrer Arbeit als professionelle Dienstleister leben müssen, würden Entwürfe und Nutzungsrechte kostenlos zur Verfügung stellen. Was wäre wenn man diese realitätsferne Erwartung einmal umdreht, zeigt anschaulich und unterhaltsam dieses Video.

 

Inzwischen haben die Findorffer Geschäftsleute ein eigenes Logo für ihren Verein entwerfen lassen (siehe oben), das im Oktober erstmals bei der Eröffnung der Münchener Straße zu sehen war. Die getroffene Entscheidung des Vereins ist absolut begrüßenswert; man fragt sich allerdings als Beteiligter und Beobachter des gesamten Prozesses rückblickend, woher allgemein die Erwartung kam, das ein Logoentwurf umsonst zu nutzen sei. Und warum man dieses Logo zudem in einer erweiterten Nutzung als Stadtteillogo zur Verfügung stellen wollte, erschließt sich im Nachhinein nicht wirklich – zumal es zu keinem Zeitpunkt ein professionelles Gesamtkonzept mit definierten Zielsetzungen für das Stadtteilmarketing gab. Gudrun Goldmann, Chefredakteurin des Zett Magazins, Bremens Zeitschrift für Stadtkultur, hat es in ihrem Eintrag in unserem Gästebuch sehr klar auf den Punkt gebracht: »Ein Logo zu entwickeln ist schwierig, zumal wenn der Stadtteil keine klare Definition hat... man kann ein gutes Logo nur entwickeln, wenn man weiß, was es ausdrücken soll. Zurück auf Los und gemeinsam darüber nachdenken, was Findorff ausmacht, was soll ein Logo aussagen über den Ort, an dem wir leben.« Kurzum: Ohne Konzept keine Zielsetzungen; ohne Zielsetzungen keine Bewertungskriterien, ohne Bewertungskriterien keine Grundlage für Entscheidungen und insgesamt ohne Etat natürlich kein professionelles Stadtteilmarketing – eigentlich selbstverständliche Kriterien für Kommunikations- und Designprozesse, weshalb die Aktivitäten für »Ein Logo für Findorff« bisher ebenso erfolglos geblieben sind, wie die Arbeitsgruppen am runden Tisch »Wirtschaftszentrum Findorff – Leben und Einkaufen«, von denen sich die erste Arbeitsgruppe konsequenterweise bereits aufgelöst hat.

 

Warum es bisher nicht geklappt hat


Zurück auf Los: Etat und Gesamtkonzept gefordert

 

Voraussetzung für weitere Aktivitäten mit dem Ziel »Ein Logo für Findorff« ist daher zunächst die Klärung der (politischen) Frage, warum es für Findorff im Vergleich zu anderen Stadtteilen des Bremer Westens eigentlich keinen Etat für Stadtteilmarketing gibt. Sollte es gelingen mit Unterstützung aller Beteiligten einen angemessenen Etat zu realisieren, ist diesmal eine systematische und zukünftig professionell begleitete Vorgehensweise auf dem Weg zum Ziel gefordert – verbunden u. a. mit folgenden Fragesstellungen:

  • Warum und wofür braucht Findorff Stadtteilmarketing?
  • Welche Zielsetzungen hat das Stadtteilmarketing für Findorff?
  • Welche Etatgröße ist dafür notwendig und tatsächlich realistisch?
  • Wie ist die Definition der Zielsetzungen und der zukünftigen Positionierung des Stadtteils?
  • Wie ist die Definition der werblichen Maßnahmen unter Berücksichtigung bereits bestehender »Baustellen« wie bspw. die zur Zeit fehlende Aktualisierung der Beiratsseiten des offiziellen Stadtteilportals www.findorff.de?
  • Wie und wen kann man für Konzeptentwicklung und Realisation der werblichen Maßnahmen inklusive Logo als professionelle Designer oder Agenturen beauftragen und fair bezahlen?

Nach wie vor unverzichtbar für den gesamten Prozess: Alle FindorfferInnen von Anfang an zu beteiligen. Kriterien und Ziele sind Schritt für Schritt öffentlich zu kommunizieren. Warum? Entwickelt wird in diesem Fall kein Kommunikationskonzept für ein privatwirtschaftliches Unternehmen, dessen Erarbeitung ausschließlich eine unternehmensinterne Aufgabe wäre. Die Entwicklung eines Logos als ein »Baustein« des Stadtteilmarketings ist im Gegensatz dazu ganz eindeutig ein öffentlicher Prozess. Warum? Wenn sich Findorff mit Logo und Kampagne identifizieren soll, sind die Menschen im Stadtteil »mitzunehmen«. Zeitgemäße Transparenz und Offenheit der Akteure ist daher ebenso gefordert wie weiterhin eine rege und konstruktive Beteiligung der BürgerInnen, um Schritt für Schritt umfassende Akzeptanz zu schaffen.

 

Ohne Moos nichts los?


Auch ohne Logo: Die Einheit liegt in der Vielfalt.

 

Was aber ist, wenn es gemeinsam nicht gelingen sollte, einen Etat für Findorff zu realisieren? Ganz einfach: Dann bleibt das Ergebnis aller engagierten Bemühungen die derzeitige Ist-Situation – und der Stadtteil wird weiterhin inhaltlich und visuell durch die vielen, unterschiedlichen Aktivitäten, Initiativen und Vereine mit vielen, individuellen Logos repräsentiert: Die Einheit liegt dann ganz einfach wie bisher auch in der bunten Vielfalt Findorffs – und ein geplantes und zielgerichtetes Stadtteilmarketing mit einem eigenen »Logo für Findorff« bleibt »nice to have«, ist für einen in jüngster Zeit sehr lebendigen Stadtteil dann aber auch nicht zwingend erforderlich – zumal in der Zwischenzeit »echte Probleme« sehr viel dringlicher geworden sind. Oder wie es in einem Eintrag im Gästebuch etwas drastisch formuliert wurde: »Wir haben im Stadtteil andere Sorgen, als Tassen mit Logos bedrucken zu lassen.« Die Produktion von langweiligen Werbeartikeln wäre übrigens auch die einfallsloseste Art der Umsetzung von Stadtteilmarkting.

 

Ihre Meinung? Wir freuen uns auf Ihren Eintrag im Gästebuch!

 

 

Der Autor


Mathias Rätsch

 

Den ersten Meinungsbeitrag in unserer neuen Rubrik »Zwischenruf« schrieb Mathias Rätsch; ehrenamtlich und in vergnüglicher Selbstausbeutung zuständig auf »Leben in Findorff« für Tipps & Termine, Menschen in Findorff, digital exhibitions und dies und das. Er war selbst mit einem Logoentwurf beteiligt, der in erster Linie das Ziel hatte, öffentliche Transparenz zu schaffen. Als Konsequenz aus den in diesem Prozess gemachten Erfahrungen entwarf der selbstständige Diplom-Designer und Kommunikationswirt die »Leben in Findorff«-Postkarten-Edition für den Stadtteil. Der Zuspruch und die rege Beteiligung der vielen Unterstützer der Aktion hat ihm richtig Spaß gemacht. www.raetsch.de