ZWISCHENRUF

»Zwischenruf« Nr. 4 von Corinna Bruggaier: Sie reflektiert 20 Jahre in der Kulturwelt Bremens


»Findorff ist offenbar zu wenig Brennpunkt!«

Bremens Kultur ist ein weites Feld. Und eine voll umfängliche Analyse ihrer Stärken, ihrer Schwächen und der Möglichkeiten, letztere zu beheben, wird mir an dieser Stelle kaum gelingen. Was ich aber anbieten kann, ist ein sehr subjektiver Rückblick auf 20 Jahre erlebte und erarbeitete Kultur in Bremen. Und den Versuch, aus dieser Erfahrung Anregungen für künftige Projekte und kulturpolitische Entscheidungen zu gewinnen.

 

(M)ein halbes Leben im Kulturmanagement


Meine Zeit als Kulturschaffende in Bremen begann mit einem Musik-Festival 1996 und landete 2014 mit dem »KUBAKI Stadtteilprojekt« in meinem Heimat-Stadtteil Findorff. Zwischen den »Trompetentagen 1996« und »KUBAKI« liegen rund 20 Jahre und damit (m)ein halbes Leben im Kulturmanagement. Wofür stand dieser Anfang, wofür steht dieses Landen? Und welche Gedanken bewegen mich nun 2016, kurz bevor ich Findorff in Richtung Bodensee verlasse. Der Anfang stand zweifellos für den Aufbruch in eine unbekannte Welt: Musik kannte ich bisher nur als Interpretin an meinem Instrument, dem Waldhorn. Man macht sich als Musikerin selten Gedanken um Organisation und Management: um die Arbeit also, die im besten Fall niemand sieht, ohne die aber kein Konzert, kein Workshop und schon gar kein Festival oder Kulturprojekt möglich wäre.

 

Professionelle Kunst kostet Geld und benötigt Mittel, die rar sind.


Nun lag mein Studium der Kulturwissenschaften hinter mir und ich wechselte die Seiten. Mit großem Enthusiasmus ging ich an die Sache und hatte sehr schnell die Möglichkeit, ein großes Festival mit weltbekannten Künstlern zu organisieren. Hier lernte ich schnell die Vorteile der Hansestadt, dem kleinsten Bundesland, Bremen kennen. Die Wege sind kurz, jeder kennt jeden, die »Einheimischen« sind neuen Menschen gegenüber sehr aufgeschlossen. Ich war willkommen und schnell aufgenommen in den Kreis der Kulturschaffenden. Im Anschluss folgten elf sehr intensive und lehrreiche Jahre (1999 bis 2011) bei der »Deutschen Kammerphilharmonie Bremen«. Hier arbeitete ich nun für ein wunderbares Orchester und hatte einen Vorgesetzten, der mir von Beginn an vertraute und mich unterstützte, meine Ideen zu entwickeln und vor allem umzusetzen. Als das Orchester nach Tenever in den Bremer Osten zog, fiel der pädagogische Bereich des Orchesters in meine Verantwortung; die Stadtteiloper »Polski Blues« war die letzte unter meiner Leitung. Hier arbeitete ich mit Alexander Hauer als Regisseur zusammen. Wir entschieden uns für die Gründung einer eigenen gemeinnützigen Institution, um unabhängig von Projektträgern unsere gemeinsamen Ideen umzusetzen: Die Konzeption und Realisierung großer Musik-, Theater- und Tanzprojekte. 

 

»OpusEinhundert« wurde ins Leben gerufen.


Schnell stellten wir aber fest, dass der große Vorteil, den ich kannte, auch zur Schwierigkeit beziehungsweise zum Hindernis werden kann: Ist man nicht Teil eines Netzwerks, ist es fast unmöglich, hinein zu kommen. Als neue Institution mit innovativer und hochwertiger Arbeit ist man in Bremen gern gesehen, aber wehe, man benötigt finanzielle Mittel, diese Arbeit auch vor Ort umzusetzen. Nicht zuletzt dies hat »OpusEinhundert« zunächst nach Niedersachsen geführt, wo unsere Arbeit und unsere Ideen und Projekte gesucht waren und auch finanziell unterstützt wurden. Ein erster beruflicher Schritt zurück in die Heimat war dann das »Volkshaus«, das wir seit 2013 von der Kulturbehörde zur Verfügung haben, um es mit Kultur zu beleben. Auf der einen Seite eine große Freude, diesen fantastischen Raum füllen zu dürfen, auf der anderen Seite eine ebenso große Bürde, denn professionelle Kunst kostet Geld und benötigt Mittel, die dann doch wieder rar sind – und der Ort am Eingang zur Überseestadt und nach Walle ist als Theater nicht »gelernt« und die Schnellstraße vor der Tür nicht sehr attraktiv. Es kostet sehr viel Energie und vor allem Zeit und Geduld, Besucher dorthin zu locken. Ist man erst einmal dort, erleben die Menschen einen wunderschönen Theater-Raum, in dem wir unser eigenes Weihnachtsmärchen oder Gastspiele aus diversen Kleinkunstbereichen, sowie nun schon im dritten Jahr die »Waller Welle« als Sommerferien-Theater-Projekt anbieten. Wir freuen uns immer wieder über unsere regelmäßige Präsenz im Stadtteilkurier sowie über unsere Gäste, die wir dann zu den Vorstellungen oder bei der »Waller Welle« begrüßen können. Es steht hier aber noch eine Menge Arbeit an, bis das Haus an seine Kapazitätsgrenzen kommt. Auch hier wieder die Erfahrung, dass man glücklich ist, dass es so engagierte Kulturschaffende gibt, die auch ohne öffentliche finanzielle Projekt-Mittel (außerhalb der Beiratgelder im Stadtteil) aktiv sind. Schade, dass man sich darauf verlässt und im Grunde schade, dass der Idealismus dieser Menschen nicht honoriert, sondern als selbstverständlich angesehen wird. – weil wir unsere Arbeit, die Kunst und die Menschen, mit denen und für die wir es tun, lieben.

 

Die einzigen öffentlichen Mittel kamen ausschließlich aus dem Stadtteil


Und wieder: Mit »KUBAKI«, dem Stadtteilprojekt in Findorff 2014, erfüllten wir uns gegen alle Vernunft den Herzens-Wunsch, endlich einmal ein Großprojekt »zu Hause« realisieren zu können. In Eigenregie – gemeinsam mit der Grundschule Augsburger Straße und in Kooperation mit den »Bremer Philharmonikern« und dem »Jugendsinfonie Orchester Bremen Mitte«. Finanziell extrem schwierig – die einzigen öffentlichen Mittel kamen erneut ausschließlich aus dem Stadtteil; hatten wir doch das sehr glückliche Erlebnis der kurzen Wege und der Offenheit der Findorffer (Menschen und Institutionen), bei denen wir »KUBAKI« vorgestellt haben, und die uns alle im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützt haben und »KUBAKI«  mit zur ihrem Projekt gemacht haben. Ein – auch noch zwei Jahre danach – unvergessliches Erlebnis von Gemeinschaft und Zusammenhalt hier im Stadtteil. Nur auf diese Weise konnten wir das Vorhaben umsetzen. Außerhalb – besonders seitens der Kulturbehörde bzw. der start JUGEND KUNST STIFTUNG BREMEN – ist Findorff offenbar zu wenig »Brennpunkt«. Ein Stadtteilprojekt dieser Art lässt sich leichter fördern in anderen Stadtteilen zum Beispiel Tenever oder in der Vahr. Eigentlich schade, dass es so weit erst offenbar immer kommen muss. Wäre es nicht sinnvoll, das eine zu unterstützen, ohne das andere zu ignorieren bei der Mittelvergabe?

 

Wer in Bremen Kunst machen möchte, braucht einen langen Atem


Lange Rede, kurzer Sinn: Wer mit Leidenschaft und Qualität in Bremen Kunst machen möchte, braucht viel Energie, Kraft und einen langen Atem. Aber die Offenheit und die Menschen vor Ort, mit denen wir arbeiten, machen es einem leicht, immer wieder weiter zu machen. Es gibt kaum eine schönere Arbeit, in der man zwar sehr viel gibt, aber auch sehr viel zurück bekommt und mit so vielen wundervollen Menschen zusammenkommt, wie ich es in den letzten 20 Jahren erlebt habe.

Die Autorin


Corinna Bruggaier

Corinna Bruggaier ist Initiatorin von »OpusEinhundert« sowie Geschäftsführerin und Projektleiterin für das Theater im Volkshaus Walle. Sie studierte Orchestermusik an der »Folkwang Hochschule für Musik Essen« und im Anschluss Kulturwissenschaft mit Schwerpunkt Kulturmanagement und Kulturvermittlung an der »Universität Bremen«. Von 1999 bis 2011 war sie bei der »Deutschen Kammerphilharmonie Bremen« in unterschiedlichen Bereichen beschäftigt: Nach der Einstellung im Bereich Sekretariat/Assistenz der Geschäftsführung und der Tätigkeit im Tourmanagement, betreute sie seit 2002 den pädagogischen Bereich des Orchesters und baute ihn aus. Seit 2007 wurde das mittlerweile mehrfach ausgezeichnete  »Zukunftslabor« der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen ins Leben gerufen, das Corinna Bruggaier im wesentlichen mit aufbaute und konzeptionierte. 2011 gründete sie »OpusEinhundert« und übernahm die Geschäftsführung. »OpusEinhundert« feierte mit dem ersten Projekt »KlangKörper«, einem integrativen und generationsübergreifenden Tanztheaters im März 2012 in Bremen und Hannover Premiere und initiierte in Findorff das Theaterstück »KUBAKI«. Corinna Bruggaier erhielt 2013 den »Emotion Award« in der Kategorie »Kind und Karriere«. Sie wohnt mit ihrer Familie (noch) in Findorff – folgt aber im Sommer ihrem Mann nach Süddeutschland.

 

Corinna Bruggaier freut sich über einen Besuch der Webseiten von »OpusEinhundert« und dem Theater im Volkshaus