ZWISCHENRUF

»Zwischenruf« Nr. 5 von Anke Bittkau und Sandra Stoessel, Spielplatzinitiative Bremen West e.V.


»Keine Verkleinerung der Spielplatzfläche!«

Der Corvey-Spielplatz in Findorff ist einer der größten und schönsten Spielplätze im dichtbebauten Bremer Stadtgebiet. Seit über 40 Jahren ist hier die Spielplatzinitiative Bremen-West e.V. aktiv, ein Zusammenschluss von Eltern, die den Spielplatz ehrenamtlich betreuen und an den Nachmittagen alle möglichen Sandspielzeuge, Fahrräder, Bobbycars usw. ausgeben, Kaffee und Tee bereit halten und für eine gewisse Sauberkeit auf dem Platz sorgen. Der Spielplatz zeichnet sich v.a. durch seine Weitläufigkeit aus: Neben einer Sandfläche mit Spielgeräten gibt es einen Wall mit dichtem Gebüsch und Trampelpfaden darin, einen Basketballplatz und eine große Wiese zum Fußballspielen, rennen oder herum lümmeln. Der Spielplatz bietet kleinen Kindern, aber auch Grundschulkindern und Jugendlichen, Spiel- und Aufenthaltsmöglichkeiten, die ansonsten im Stadtteil rar sind.

 

Zwei Kindergruppen, die »Kieselknirpse« und die »Flitzmäuse«, waren bis zum Sommer 2012 auf dem Spielplatz zu Hause und teilten sich mit der Spielplatz-Initiative das alte Häuschen, das früher auch mal zeitweise die Vereinskneipe der SG Findorff war. Eine benachbarte Kindergruppe (»Kleine Panik« e.V.) besucht ebenfalls täglich den Spielplatz. Im alten Spielhaus wurden irgendwann Schimmel- und Asbestbelastungen entdeckt, woraufhin die beiden Kindergruppen vor vier Jahren in das ehemalige Horthaus auf dem Gelände der Kita Augsburger Straße zogen. Von dort aus gehen sie aber immer noch jeden Tag zum Spielen auf das Spielplatzgelände an der Corveystraße.

 

Warum wird überhaupt auf einem Spielplatz ein Kita-Gebäude gebaut?


Nach Plänen der Bildungsbehörde (Senatorin für Kinder und Bildung) soll nun auf dem Spielplatz Corveystraße  eine riesige neue Kindertagesstätte entstehen. Damit würden der Basketballplatz und die große Wiese verschwinden und die Spielfläche nahezu halbiert werden. Wer schon einmal bei schönem Wetter auf dem Spielplatz war, weiß: Dann ist auch jetzt schon kaum noch Platz auf der Wiese. Fußball spielen kollidiert mit Familien, die mit Kleinkindern oder Babys auf Decken die Wiese nutzen wollen. Wo sollen die nun alle hin, wenn die Wiese komplett bebaut wird?

 

Und warum wird überhaupt auf einem Spielplatz ein Kita-Gebäude gebaut? Anfangs erschien die Idee noch reizvoll, es ging nur um den Ersatz des alten maroden Häuschens und darum, den Kindergruppen eine neue Heimat zu bieten, da die Nutzung des Horthauses von vornherein nur eine Zwischenlösung war. Die Elternvereine und die Spielplatz-Initiative stimmten der geplanten Bebauung eines kleineren Randbereiches (!) des Spielplatzes jedoch nur unter folgenden Grundbedingungen zu, die uns und dem Beirat zugesagt wurden:

  • Die Spielplatzfläche wird sich insgesamt nicht verkleinern, nur die Aufteilung der Fläche wird sich ggf. etwas verändern
  • Es werden keine Entscheidungen ohne Einbeziehung der Nutzer-Gruppen vor Ort getroffen

 

Schrittweise Überdimensionierung des Kita-Hauses


Von diesen Zusagen ist seit Ende 2014  überhaupt nicht mehr die Rede gewesen! Es ist sogar so, dass die Vertreter der Senatorin für Kinder und Bildung bei jeder Beiratssitzung  völlig neue Planungen vorgestellt haben, die nur zwei Dinge gemein hatten: die Spielplatzfläche hat sich von Plan zu Plan erheblich verkleinert und niemand wurde vorher informiert! Im Sommer 2015 hieß es noch, dass wir einen brach liegenden Grundstückszipfel vom benachbarten Gelände von Umweltbetrieb Bremen (UBB) dazu bekommen, um den Verlust des Basketballfeldes ausgleichen zu können, wenn das neue Kitahaus auf das Basketballfeld gebaut werden würde. Im Oktober war dieser Zipfel dann schon voll eingeplanter Bestandteil des ÜWH-Geländes (ÜWH = Übergangswohnheim für Flüchtlinge) und stand dem Spielplatz nicht mehr zur Verfügung.

 

Dann kam die schrittweise Überdimensionierung des Kita-Hauses, im Oktober 2015 sollte die Fläche des Hauses bereits ca. 500 qm groß und doppelstöckig gebaut sein. Am 1.12.2015  wurde dann in einer Sitzung des Bildungsausschusses ein Plan präsentiert, auf dem das Kita-Haus geschätzte schlappe 665 m2 Fläche verbraucht. Damit wären nicht nur der Basketballplatz sondern auch die gesamte Wiese futsch! Leider stimmte der Bildungsausschuss des Findorffer Beirates diesem Bebauungsplan zu.

 

Und wieder folgt eine Überraschung: Ein neuer Plan für das Kita-Haus, mittlerweile auf fast 800 qm Grundfläche angewachsen, soll heute Abend in der Beiratssitzung vorgestellt werden. Die SG Findorff war anscheinend so freundlich, einen Teil ihres Geländes als Spielflächenersatz zur Verfügung zu stellen, dieses Gelände ist aber auch schon zur Hälfte zur Bebauung vorgesehen.

 

Brauchen vier Kindergruppen ein Gebäude mit 1.200 qm Fläche ?


Muss das Gebäude so groß sein? Sind so viele verschiedene Räumlichkeiten nötig? Brauchen drei oder vier Kindergruppen ein Gebäude mit weit über 1200 qm nutzbarer Fläche? Die Zustimmung des Findorffer Beirates für diesen bislang schlechtesten Plan ist für uns nicht hinnehmbar. Hier wurde nicht die Findorffer Bevölkerung vertreten, sondern einzig dem Behördenplan zum Kita-Ausbau gefolgt. Aus vielen Gesprächen mit den Nutzerinnen und Nutzern des Spielplatzes wissen wir, dass sie eine Bebauung des Spielplatzes nur unter der wichtigsten anfangs zugesagten Bedingung, keine Verkleinerung der Spielplatzfläche, akzeptieren! Die Spielplatz-Initiative verfolgt hier keine Eigeninteressen, wir arbeiten ehrenamtlich im Sinne der vielen Familien, die den Spielplatz brauchen und nutzen.

 

Wir möchten den Beirat daher bitten, sich an die gemachten Zusagen gegenüber der Findorffer Bevölkerung zu halten und auch die eigenen Forderungen nicht zu vergessen! Im Bauausschuss  wurde  noch am 14.7.15 gefordert: »Die aktuelle Größe der freien Spielfläche des Spielplatzes wird durch den Neubau des Spielhauses Corveystraße nicht reduziert. Konkret bedeutet das, dass mindestens eine der Grundfläche des Neubaus entsprechende Fläche des Flurstücks VR 8 Nr.442/12 dem Spielplatz (VR 8 Nr.442/14) zugeschlagen wird. (Hierbei ist der Erhalt bzw. die Wiederherstellung einer Basketballanlage sicherzustellen.)« (TOP 5, Protokoll der Fachausschusssitzung »Bau«, vom 14.7.2015).

 

Leider wurde im Zuge der ganzen Diskussionen um die Bebauung des Spielplatzes versäumt, nach vernünftigen Standort-Alternativen zu suchen, die zugegebenermaßen in Findorff nicht einfach zu finden sind.

 

Es war niemals das Anliegen der Elternvereine, den Spielplatz bebauen zu lassen.


Uns ist bewusst, dass das Thema Corvey-Spielplatz den Beirat seit Jahren beschäftigt und es bestimmt oft sehr zäh war, nach Lösungen für die Kindergruppen zu suchen, die in dem alten Haus nicht bleiben konnten. Die Idee eines Neubaus am Rand (!) des Spielplatzgeländes kam von den Elternvereinen, aber es war niemals deren Anliegen, den Spielplatz bebauen zu lassen. Geplant war eine Nutzung des brachliegenden Grundstückzipfels vom UBB-Gelände, gerade weil der Spielplatz so eine für innerstädtische Verhältnisse fantastische Größe hat.

 

Kitas auf Spielplätze zu bauen ist kein Konzept, sondern ein Ausdruck von Ratlosigkeit


Bremen hat sich das Leitbild der bespielbaren Stadt gegeben, bei dem eine Spielfläche von 3 qm pro Einwohner vorgesehen ist: In Findorff haben wir gerade 1 qm pro Einwohner. Kinder haben außerhalb der Spielplatzflächen so gut wie keine Spielmöglichkeiten im öffentlichen Raum. Wenn man aber Kinder nur noch auf ausgewählten Plätzen spielen lässt, weil sie überall sonst lästig, laut und im Weg sind, darf man doch diese wenigen ausgewählten Flächen nicht noch mehr verkleinern! Kitas auf Spielplätze zu bauen ist kein Konzept, sondern ein Ausdruck offensichtlicher Ratlosigkeit angesichts eines Problems, das seit Jahren bekannt ist. Diese Art des Kita-Ausbaus ist einzig und allein dem allgemeinen Kostendruck geschuldet, Spielplätze sind »wertlose« Flächen; sie können weder als Bauland, noch als Gewerbegebiet gewinnbringend genutzt werden. Leider soll dies nun – übrigens bremenweit – der neue Weg des Kita-Ausbaus sein. Wir hoffen, dass die Öffentlichkeit und auch die Beiräte sich diesem Druck nicht beugen und Findorff nicht die Blaupause für diese Planungen liefert.

Die Autorinnen


Anke Bittkau und Sandra Stoessel

Anke Bittkau und Sandra Stoessel aus Findorff sind die Vorsitzenden der Spielplatzinitiative Bremen West e.V.. Sie kümmern sich mit anderen Ehrenamtlichen seit Jahren um die Belange von Kindern  in den Bremer Stadtteilen Findorff und Walle und betreuen u.a. auch den Spielplatz Corveystraße. Die Initiative trägt maßgeblich dazu bei, dass der gepflegte und sichere Spielplatz nicht nur bei Findorffer Eltern außerordentlich beliebt ist.

 

Kontakt: Spielplatzinitiative Bremen West e.V., Vegesacker Straße 13, 28217 Bremen, Telefon 0421 / 374940